RASSISMUS IN DER

SCHAUSPIELBRANCHE

Man könnte meinen, rassistische Praktiken wie Black Facing und Yellow Facing seien seit Jahrzehnten schon Geschichte – doch auch heute noch ist rassistische Diskriminierung fester Bestandteil der Medien-, Schauspiel- und Theaterbranche. Ausbeutung, Erniedrigung und das Vorenthalten von Ressourcen sind Alltag für Schauspieler:innen und Medienmacher:innen. Es ist Zeit, dass sich das ändert.

ein Text von Lisa Jureczko | Beitragsbild: Leo Gestel, Maskers (ca. 1891–1941), via rawpixel.com

Innerhalb der Schauspielbranche sind Rassismus, Sexismus, Exotismus und emotionaler Missbrauch stark miteinander verwoben. Erzählungen von Betroffenen sind beispielhaft für die allgegenwärtigen patriarchalen, weißen Machtstrukturen in Deutschland, aber auch in der internationalen Medienszene sowie der Kunst- und Kulturbranche. Sie sind auch beispielhaft dafür, dass diese Machtstrukturen von weißen Menschen sehr bewusst genutzt werden, um Hierarchien & Machtgefälle aufrecht zu erhalten.

Seit Jahrzehnten kämpfen Schwarze Schauspieler:innen in Deutschland für mehr Teilhabe sowie eine der eigenen Lebensrealität entsprechenden Darstellung in den Medien. Und dennoch: als sich Juniorprofessorin Franziska Bergmann 2016 mit Rassismus in der deutschen Theaterbranche befasste, zeigte die Mehrzahl der Schauspielhäuser kein heterogenes Ensemble, und auch in den Führungsebenen saßen hauptsächlich Weiße. Dass es an Sichtbarkeit Schwarzer Menschen in Theater und TV mangelt, ist fatal, denn „die Schauspieler:innen verleihen den Theatern ihr Gesicht – im Falle der deutschen Theater ist dies ein bislang augenscheinlich weißes Gesicht.“ 2013 kritisierte der Schauspieler Murali Perumal in einem offenen Brief an die Süddeutsche Zeitung, dass Theater in Deutschland nicht nur „von Weißen“ sondern auch „für Weiße“ gemacht werde. Man wolle das weiße Publikum nicht irritieren mit nicht-weißen Schauspieler:innen in klassischen Rollen, die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten von Weißen gespielt werden:

Am Schauspiel Köln ist das Multi-Kulti-Ensemble deswegen gescheitert, weil die Dramaturgen und deutschen Regisseure uns fast nur in Migrantenstücken als Ausländer besetzt haben, nicht jedoch als Deutsche, die wir im wirklichen Leben alle sind.“

Black Facing – kein Problem der Vergangenheit

Mit weißen Schauspieler:innen, die Schwarze Rollen übernehmen, hat die deutsche Theaterbranche bisweilen kein großes Problem, wie die zahlreichen Blackfacing-Fälle an Opern und Theatern im deutschsprachigen Raum während der 2010er Jahre gezeigt haben. Das Deutsche Theater Berlin und das Schloßpark Theater verwiesen 2012 beispielsweise auf die „Kunstfreiheit“ und den vermeintlichen Mangel an Schwarzen Schauspieler:innen, die für entsprechende Rollen hätten gecastet werden können. Dabei herrscht kein Mangel an Schwarzen Schauspieler:innen, sondern viel eher ein Mangel an rassismuskritischem (und somit selbstkritischem) Handeln. Dies bedeutet für Schwarze Menschen und POC zugleich ein mangelnder Zugang zu ökonomisch und beruflich relevanten Ressourcen.

Während im Bereich Film und Theater Schwarze Schauspieler:innen unterrepräsentiert sind, zeigen die Ausführungen Franziska Bergmanns, dass an einigen wenigen Häusern vermehrt Schwarze Menschen und POC im Sektor des Tanz- und Musiktheaters engagiert werden. Auch dies kann auf rassistische Klischees zurückgeführt werden. So komme es laut Bergmann beispielsweise deutlich häufiger vor, dass Schwarze Interpret:innen und POC Hauptrollen in Opern übernehmen, während ähnliche Rollen im Theater kaum an BIPOC vergeben werden. Thandi Sebe berichtete 2019 sie erhalte zahlreiche Angebote für Rollen als Tänzerin – dabei könne sie gar nicht tanzen.

Wenn Medien rassistische Stereotype reproduzieren

Auch mit anderen Klischees haben Schwarze Schauspieler:innen regelmäßig zu kämpfen: „Prostituierte, Putzfrau, Asylbewerberin“, das seien die Rollen, für die Joana Adu-Gyamfi besonders häufig angefragt wurde. Es verwundert also nicht, dass es immer noch als besonderer Erfolg & Ausnahme angesehen wird – und eben nicht als Normalität – wenn Schwarze Menschen im deutschen Fernsehen Hauptrollen übernehmen, wie beispielsweise Florence Kasumba, die 2019 als erste Schwarze Kommissarin im Tatort zu sehen war. Doch auch dieser Erfolg hatte für viele einen negativen Beigeschmack, denn Kasumba erhielt die Hauptrolle erst, nachdem sie 2018 als Kriegerin Ayo im Oscar-nominierten Hollywood-Movie Black Panther auftrat. In vorherigen Tatort-Folgen spielte sie stets Nebenrollen.

Dass Schwarze Schauspieler:innen nur selten in Hauptrollen zu sehen sind, liegt laut Perumal vor allem daran, dass Caster:innen oder Dramaturg:innen ihre Entscheidung auf die „Wahrnehmungsgewohnheiten des Publikums“ zu schieben versuchen: für eine Schwarze Person in einer Hauptrolle brauche man eben immer eine Erklärung. „You always have to explain why the flight attendant or the doctor is black – they can’t just happen to be black. On the other hand, you never need to explain why the asylum-seeker or prostitute is black.“, resümierte auch Philippa Ebéné im Jahr 2007.

Schwarz & „schwer zu vermarkten“

2006 gründeten Carol Campbell und Philippa Ebéné aufgrund ebendieser Problematik die Arbeitsgemeinschaft Schwarze Filmschaffende in Deutschland (SFD), und setzten sich dafür ein, dass die Rollenbesetzung nicht von Herkunft oder Hautfarbe einer Person abhängig gemacht werde. Ziel war eine „organische Normalität„, auch um die Selbstwahrnehmung Schwarzer Menschen zu bestärken. Über die Schwierigkeiten und Hürden, die Schwarze Schauspieler:innen überwinden müssen, sprach Selam Tadese 2018 in einem Interview. Jahrelang habe er nach einer Schauspieleragentur gesucht, immer wieder wurde ihm abgesagt mit den Worten, er sei als Schwarzer Schauspieler „schwer zu vermarkten“. Selam Tadese berichtete ebenfalls davon, dass vor allem Produzent:innen und Caster:innen ihn das existierende Abhängigkeitsverhältnis stets haben spüren lassen. Diese berufliche Abhängigkeit steht vor allem im Ausbildungskontext oftmals in Zusammenhang mit einer emotionalen Abhängigkeit.

Bewusst zugefügter Schmerz muss nicht ausgehalten werden,…

Insbesondere im Laufe des vergangenen Jahrzehnts wurde zunehmend auch die Verwendung des N-Wortes medial kritisiert. Beispielhaft für die Theaterszene ist die im Jahr 2014 entfachte Debatte um das gleichnamige Stück von Jean Genet, das Johan Simons in Kooperation mit den Münchener Kammerspielen und dem Hamburger Schauspielhaus bei den Wiener Festwochen aufführte – inklusive Blackfacing und hauptsächlich weißem Ensemble. Wie wenig Verständnis und Empathie Johan Simons Schwarzen Menschen entgegenbrachte, die sich zurecht gegen eine solche Aufführung und Nutzung des rassistischen Begriffs einsetzten, zeigt vor allem seine resümierende Aussage, man (also Schwarze Menschen) müsste(n) „solche Dinge aushalten können, auch wenn es schmerzt.“

Über ebendiesen tief verankerten Schmerz, den niemand aushalten müssen sollte, schrieb Grada Kilomba:

Schwarze Deutsche werden alltäglich mit dem N-Wort beschimpft. Es hinterlässt psychologische Narben, die Ängste und Albträume verursachen. Denn das N-Wort ist kein neutrales Wort, es ist ein weißes Konzept. Es ist ein Begriff, welcher mit Brutalität, Verwundung und Schmerz einhergeht. Wenn ‚N.‘ gesagt wird, wird nicht nur über die (Haut-) Farbe ‚Schwarz‘ gesprochen, sondern auch über: Animalität – Primitivität – Unwissenheit – Chaos – Faulheit – Schmutz. Jene, die ‚N.‘ rufen, wiederholen in diesem Moment eine Sicherstellung ihrer Macht als weiße Herrscher:Innen.“ 

…denn sie wissen, was sie tun

Dies gilt auch für den (vermeintlich) künstlerischen Kontext: wer auch 2023 noch darauf beharrt, einen kolonialrassistischen Begriff zu nutzen, degradiert Schwarze Menschen wissentlich. Nachdem die im Januar gegründete Initiative #NwortStoppen in Zusammenarbeit mit dem Integrationsrat in einem Antrag dazu aufgefordert hatte, erkannte zumindest der Kölner Stadtrat am 14. Mai 2020 das N-Wort und seine Verwendung endlich als rassistisch an.

Welche Relevanz die Präsenz Schwarzer Schauspieler:innen und solcher of Color im Ensemble hat, zeigte sich für Perumal darin, dass Zuschauer:innen of Color sich nach seinen Vorstellungen bei ihm bedankten: „Sie seien vorher nie ins Theater gegangen. Sie hatten sich ausgegrenzt gefühlt und das hatte sich mit uns geändert.“ Dass sich (nicht nur) in der deutschen Theater-, Film- und Medienbranche einiges ändern muss, zeigen auch die jüngsten Entwicklungen: trotz Grimme-Preis-Nominierung setzte funk kürzlich das so wichtige Talkshow-Format KARAKAYA TALK ab, während Maischberger & Lanz in Talkrunden mit ausschließlich weißen Gästen über Rassismus und Polizeigewalt sprachen, und sich dabei unreflektiert rassistischer Sprache bedienten. Erst nachdem es Kritik hagelte, kamen von Rassismus Betroffene zu Wort.

Q U E L L E N

Franziska Bergmann, Parallelgesellschaft Hochkultur. Rassifizierte Inklusions- und Exklusionsmechanismen im deutschen Repertoiretheater, in: Dorothee Kimmich & Schamma Schahadat (Hrsg.), Diskriminierungen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Vol. 2, 2016

Blickpunkt Film, Deutschlands Schwarze Filmschaffende stellen sich vor, 2007

Mathias Dell, Talkshows: Ahnungslos und ignorant, ZEIT, 2020

David Denk, Weiß-Fernsehen. Sie spielen im deutschen TV Putzfrauen, Asylbewerber Saxofon – oder gar nichts. Über ein Strukturproblem, taz, 2007

Martin Eich, Schwarz bleibt schwarz, ZEIT, 2012

Hadija Haruna-Oelker, Diversität im Fernsehen. Wer spricht über Rassismus?, Deutschlandfunk Kultur, 2020

Joy Kristin Kalu, Dein Blackface ist so langweilig! Was das deutsche Repräsentationstheater von den Nachbarkünsten lernen kann, Nachtkritik.de, 2014

Şeyda Kurt, Schauspieler Selam Tadese: „Die deutsche Filmlandschaft ist sowas von rassistisch“, ZEIT, 2018

Lara-Sophie Milagro, Die Bequemlichkeit der Definitionshoheit. Man muss kein Neonazi sein, um rassistisch zu handeln, Nachtkritik.de, 2012

Murali Perumal, Brief von Murali Perumal an die Süddeutsche Zeitung, 2013

David Gordon Smith, Black German Film at the Berlinale. African-German Filmmakers Hope to Open Up ‚New Perspectives‘, Spiegel, 2007

Astride Velho, Auswirkungen von Rassismuserfahrungen auf die Gesundheit, das Befinden und die Subjektivität. Ansätze für eine reflexive Berufspraxis, in: Alltagsrassismus und rassistische Diskriminierung Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit, AMIGRA, 2010, S. 12-39

Vienna.at, „Die N-Wort“-Premiere bei den Wiener Festwochen verlief störungsfrei, [TW: N-Wort im Originalbeitrag ausgeschrieben]

Tempi Wolf, Wir haben mit jungen schwarzen Schauspielern über ihre Rollen gesprochen. Wann kommt endlich die erste Traumschiffkapitänin mit Kopftuch?, Spiegel, 2019

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